letzte Erweiterung: 23.05.2013
4.5
Nahaufnahme und -Zubehör

Noch weniger als die Messsucherkamera M ist eine Schraubleica von Haus aus für Nahaufnahmen, noch viel weniger für den Makrobereich geeignet. Das ist und bleibt die Domäne einer Spiegelreflex! Die Entfernungseinstellung endet bei vielen der Objektive bei einer Untergrenze von 1m. Zur Abhilfe muss Nahaufnahme-Zubehör her!

Vorsatzlinsen
Aufnahmen auf eine kürzere Entfernung ermöglicht das Vorsetzen (Aufstecken/Aufschrauben) einer positiven Linse vor das Objektiv, die Verwendung von Vorsatz- oder Nahlinsen. Lt. Laney wurden von Leica schon seit mindestens 1928 Vorsatzlinsen angeboten.

Vorsatzlinsen verändern die Brennweite des verwendeten Objektivs dadurch, dass sich die Brechungskräfte von Objektiv und Vorsatzlinse addieren und sich so eine kürzere „Gesamt-Brennweite“ ergibt. Man kann näher an das Objekt heran. 
Vgl. Heinrich Freytag, Knaurs Foto- und Filmbuch, 1955

Einfache Vorsatzlinsen sind relativ preiswert, verlangen auch keine Korrektur der Belichtungswerte, beeinträchtigen aber im Gegensatz zu mehrlinsigen Systemen, den Achromaten, die Korrektur des Objektivs. Es ist bei der Verwendung von Nahlinsen ratsam, nicht nur zur Erhöhung der Schärfentiefe, das Objektiv auf mindestens 5,6 abzublenden.
Hinderlich blieb aber die bei allen Sucherkameras auftretende Verschiebung von Sucherbild und dem fotografierten Ausschnitt, die sogenannte Parallaxe. Je mehr wir uns dem Motiv nähern, desto größer wird diese Verschiebung!

Spiegelreflex-Kästen 
Spiegelreflexkameras zeigen das, was nachher auf den Film kommt. Leitz bot schon 1935 den Spiegelreflexansatz PLOOT  und ab 1951 das Visoflex I-System an, um diesbezügliche Nachteile einer Sucherkamera im Bedarfsfalle auszugleichen.

 Visoflex I-System

Um die Einstellentfernung variieren zu können, bedient man sich Zwischenringen und Zwischenringen mit eingebautem Schneckengang. 
Zum Visoflex I-System kam 1951 noch ein Balgengerät, das Universal-Balgeneinstellgerät I hinzu.

Tipp:
Beim Einsatz der Schraubleica am Visoflex kann man oft die Beobachtung machen, dass ein Foto nicht gerade ausfällt, da sich die Kamera nicht exakt ausrichten lässt. Für dieses Problem bietet Kisselbach in seinem Leica-Buch eine Lösung an, die man der folgenden Abbildung entnehmen kann:

aus Kisselbach, Das Leica-Buch, 1955, S. 76

Naheinstellgeräte 
Eine andere Möglichkeit für Nahaufnahmen mit der Schraubleica bieten Naheinstellungs-Einrichtungen. Es sind „handliche“ Geräte, die die Naheinstellgrenze des 5 cm-Standardobjektivs bis auf eine Objektentfernung kleiner 50 cm herabsetzen.
Man erreicht das durch einen Tubus, der zwischen Gehäuse und Objektiv kommt, eine Art „Zwischenring mit eingebautem Schneckengang“, den Leitz "Zwischenschnecke" nennt
Man erkennt "vor der Eintrittsöffnung des Entfernungsmessers einen rundgefaßten Glaskeil, der die vom Objekt kommenden Strahlen ablenkt. Ferner trägt diese Zwischenschnecke eine automatisch gesteuerte Blende, die vor dem Sucher steht und zugleich durch eine sinnreiche Einrichtung die Sucherparallaxe ausgleicht. Gleichzeitig berücksichtigt diese Blende auch den immer bei Nahaufnahmen eintretenden Bildfeldschwund."
aus Leica HANDBUCH GROSSAUSGABE, Franz Vith, 33. - 37. Tausend, S. 289

Summitar mit  Naheinstellgerät NOOKY-HESUM an Leica IIIc Sync

Ein bekannter Vertreter der Leica-Nahgeräte ist das NOOKY, das für das 5cm-Elmar schon ab 1935 gebaut wurde. Während SOOKY (ab 1954) als Nahgerät für das neue, versenkbare 5cm-Summicron dient, ist das nachfolgend abgebildete NOOKY-HESUM, wie seine Namenszusammensetzung verrät, für das 5cm-Hektor sowie das 5cm-Summar vorgesehen, erhielt aber 1939, nach dem Erscheinen des Summitar, zusätzlich dessen Bezeichnung innen in den Ring graviert.

Optisches Naheinstellgerät NOOKY-HESUM

Außen wurden dann noch Verhältnisangaben 1:17,5 bis 1:6,5 eingraviert, so dass an einer Strichmarkierung der jeweils eingestellte Abbildungsmaßstab abgelesen werden kann.
Der nachfolgenden Tabelle kann man die vom jeweiligen Abbildungsmaßstab abhängenden Bezugsgrößen für das NOOKY, das NOOKY-HESUM und das SOOKY entnehmen:

Theo Kisselbach, Leica-Buch, 1. - 10. Tausend, 1955, S. 18

Da weder auf dem Nooky noch in der Kisselbachschen Tabelle eine Entfernungsangabe gemacht wird, muss man sich die betreffenden Werte selbst errechnen.

Abbildungsmaßstab, Objektgröße, Entfernung e*
Bildschirm-Ausdruck meiner Kalkulationstabelle

Nahgerät 1:1
Schon vor den Naheinstellgeräten hatte Leitz „Fixfokus“-Einrichtungen für feste Abbildungsmaßstäbe gebaut.
Es gibt drei verschiedene, jeweils für ein bestimmtes Objektiv bestimmte Ausführungen, wie das BEINS (1931), das für ein 3,5cm-Elmar, das abgebildete BELUN (1933-1958), das zum Einsatz eines 5cm-Elmar bestimmt ist und für das Summar und Summitar das BELUN-HESUM.

Im folgenden Beispiel sieht man das BELUN mit ElmarDie Bodenplatte hat eine feste Aussparung von 24x36,mm, es werden also Objekte der Größe 24mm x 36mm in natürlicher Größe auf dem Film abgebildet. 

BELUN mit Elmar

Abb. 136,  Leica-Technik, Emmermann/Neumann, S. 296

Die Handhabung ist einfach:
Ein Zwischenring stellt den Abstand des Objektivs von der Filmebene her. Das Objektiv ist ausgezogen und auf unendlich eingestellt. Das Stativ mit Grundplatte wird mittels Klemmring am Objektiv befestigt. Man setzt das BELUN mit der "fixierten" Kamera jetzt über den Gegenstand. Da die Entfernung ja festgelegt ist, braucht lediglich die Blendeneinstellung beachtet zu werden. Wegen der in diesem Bereich sehr geringen Schärfentiefe, ist nicht nur ausreichend abzublenden, mindestens auf Blende 8 oder 11, es sollte auch beachtet werden, dass die Schärfenebene am Fuße der Grundplatte liegt. Eine Briefmarke lässt sich so gut fotografieren, aber bei einer Münze läge die Schärfentiefe schon recht ungünstig. Hier sollte man die Grundplatte beispielsweise mit Pappestückchen in Münzstärke unterfüttern.
Die gemessene Belichtungszeit ist zu vervierfachen!
Vgl. Leica-Technik, 67. - 74. Tausend, Emmermann/Neumann, S. 296.


Wenn auch eine Spiegelreflexkamera ein Vielfaches an Möglichkeiten gegenüber einer Sucherkamera und erst recht gegenüber einer Gewinde-Leica bietet, macht es einfach Spaß, unterstützt durch geeignetes Zubehör, mit einer von Haus aus so spartanisch anmutenden Kamera fotografische Herausforderungen zu meistern; denn - 
Wer möchte immer nur gerade Wege gehen, wo doch in den Abweichungen die Musik liegt! Und was habe ich einen Spaß mit der M am Visoflex oder am "Stäbchengerät", dem Nahgerät für Leica M:
 
"Stäbchengerät" BOWUM/16526 (1956-1976) für M-Kameras

Ein ähnliches Gerät ist das BOOWU/16525 (1952-1962), das "Stäbchengerät" für die Gewinde-Leica. Es besteht aus 3 Objektiv-Zwischenringen und vier ausziehbaren Beinen und ermöglicht feste Maßstäbe für die Papiergrößen A6, A5 und A4 mit 50mm-Objektiven.


*Abbildungsverhältnis und Objektentfernung bei Nahaufnahmen 
(ausführliche Erörterung)
Aufgabe:
Wie weit muss die Kamera mit Normalobjektiv und Nooky vom Objekt entfernt sein, damit ein Bild der Größe 24cm x 36cm, also ein Bild im Abbildungsmaßstab von 1:10 resultiert?

Am NOOKY befinden sich, wie oben angemerkt, Markierungen für den Abbildungsmaßstab. Leider fehlt aber eine Angabe zur Entfernungseinstellung.

Kisselbach meint im Leica-Buch, 1955, S. 270:  „Meist werden diese Angaben (Entfernung u.a.) in Tabellenform geliefert. Es ist aber sehr einfach, sie (die Entfernung) selbst zu errechnen*. Ausgangspunkt ist das Abbildungsverhältnis, das heißt, in welchem Verhältnis das aufzunehmende Objekt zum Leicaformat 24 x 36 mm steht."

Er gibt dazu grundlegende Formeln an, so dass eine Berechnung möglich wird.

Wie groß ist die Gegenstandsweite (g) ,  wie groß die Bildweite (b) und wie groß die Entfernung (e)?

Verwendete Größen und Formeln:

f= Brennweite
b=Bildweite (Distanz zwischen "Hauptebene des Objektivs" und der Bildebenebene (Film/Sensor))
g=Gegenstandsweite (Distanz zwischen "Hauptebene des Objektivs" und Gegenstandsebene)
e=Aufnahmeentfernung
G=Gegenstand
B=Bild

Linsengleichung                                          1 : f = 1 : b  + 1 : g

Abbildungsmaßstab                                         A = B/G = b/g

Aufnahmeentfernung                                    e = g + b


Die Gegenstandsweite g - entspricht der Brennweite ergänzt um den Quotient aus Brennweite und Abbildungsmaßstab.

Die Bildweite b - entspricht  der Brennweite ergänzt um die Auszugsverlängerung. Letztere entspricht „immer dem Wert der Verkleinerung bzw. der Vergrößerung“. Die Verkleinerung beträgt in diesem Falle also 1/10 der Brennweite.

Der Kameraabstand, die Entfernung, ist gleich der Gegenstandsweite (Abstand vom Objekt bis zum Hauptpunkt des Objektivs) plus der Bildweite (Abstand vom Film bis zum Hauptpunkt des Objektivs).

Es gilt:
Brennweite f = 5cm
Bildweite b = Brennweite + Brennweite x Abbildungsmaßstab                b = f + f x A
Gegenstandsweite g = Brennweite + Brennweite : Abbildungsmaßstab    g = f + f : A
Entfernung e = Gegenstandsweite + Bildweite                                      e = g + b

e = f+f/A+f+f*A 
e = f*(2+1/A+A)

In die Formel eingesetzt: e (cm) = 5 (2+1:1/10 + 1/10)      =>  e = 60,5 cm

Ergebnis:  
Die Kamera muss im Abstand von 60,5 cm ausgelöst werden, wenn man ein 
Objektfeld von 24cm x 36cm fotografieren möchte.

Alle ermittelten Werte in Tabellenform
 
Bildschirm-Ausdruck meiner Kalkulationstabelle