7.2
Belichtungsmesser

- Optische Belichtungsmesser
Das Einstellen der Kamera mit Hilfe der Tabellen und selbst der Belichtungsuhren setzte schon ein zeitaufwändiges Nachschauen, Umrechnen und Übertragen der Werte voraus. Den Tabellen folgten daher recht bald chemische und optische „Belichtungsmesser“. Bei den optischen Belichtungsmessern erfolgt die Beobachtung des Motivs durch einen verstellbaren Graukeil. 
Einer der wohl bekanntesten und verbreitetsten Vertreter der optischen Belichtungsmesser war der Diaphot mit einem prägnanten Firmenzeichen, dem  Ica-Stern im Zentrum. Dieser "Rundkeil"-Belichtungsmesser wurde 1921 von der Firma Ica erstmals angeboten und auch nach dem Zusammenschluss mit anderen zur Zeiss Ikon AG bis etwa 1935 weitergebaut.

Optischer Belichtungsmesser Diaphot (aus eigener Sammlung)

 - echte Belichtungsmesser:
Photoelektrische Belichtungsmesser  
Den Durchbruch in der Genauigkeit der Belichtungsmessung brachten schon in den dreißiger Jahren des 20. Jh. die fotoelektrischen Belichtungsmesser. Sie werden nicht deshalb „elektrisch“ genannt, weil sie Strom, etwa den einer Batterie benötigen sondern weil sie Lichtenergie in elektrische Energie umgewandeln.

Die Selen-Belichtungsmesser, das sind gerade die, die keine Batterie benötigen, haben eine Photozelle, die bei Bestrahlung mit Licht Elektronen aussendet. Dieser Strom wird auf ein empfindliches Spulenmessgerät, ein Galvanometer, übertragen und führt zu einem mehr oder weniger starken Zeigerausschlag. Da hier das Licht selbst Verursacher des Messergebnisses ist, sind sie als „echte“ Belichtungsmesser zu bezeichnen!
...Mein Sixtomat ist ein Selen-Belichtungsmesser und braucht keine Batterie!
Der Gossen-Sixtomat ist als Belichtungsmesser wie auch die Leica „von Adel“. Im Photo-Magazin der 1950er Jahre ist er zumindest was die Werbung anbelangt neben Rolleiflex und Schraubleica „dauerpräsent“.

...Mein Sixtomat ist wie meine Leica von Adel!

Zunächst war der Sixtomat ein recht normaler Belichtungsmesser, doch im Jahre 1951 wurde er als ein Gerät der 2 Möglichkeiten beworben. Die OBJEKTMESSUNG wurde durch die LICHTMESSUNG ergänzt: 
„Mit der zusätzlichen Kennzeichnung „i“ hat die Firma P. Gossen & Co, Erlangen, einen Belichtungsmesser geschaffen, der sowohl zur Objektmessung in der bisherigen Weise, wie auch zur direkten Lichtmessung benutzt werden kann... Dazu wird das Rollo, das bei dem neuen Sixtomaten ein Transparentrollo ist, bis zu einer entsprechenden Marke geschlossen und gegen die Lichtquelle gehalten. 
Der Zeiger gibt nun die Helligkeit des einfallenden Lichts an. Von dieser „Incidenzmessung“ rührt die Kennzeichnung des aus weißem Kunststoff gefertigten Sixtomat „i“ her.“
aus: Ein neuer Sixtomat, Photo-Magazin 1951/5/58.

Im Jahr 1954 führte Gossen den Sixtomat x 3 „mit den dreifachen Möglichkeiten" ein:
1. Objektmessung, 2. Lichtmessung und  „3. richtige Beleuchtung durch Messung der Farbtemperatur, d.h. der ‘Lichtfarbe’.  
... Neu am Sixtomat x 3 ist in dieser Hinsicht lediglich neben der bisher üblichen Belichtungsreihe - nämlich 1 ´2 ´5 ´10 ´25 ´100 ´250 - auch die neuerdings auf dem Markt erscheinende Belichtungszeitreihe 1 ´2 ´4 ´8 ´15 ´30 ´60 ´125 ´250, welche ihren hauptsächlichen Vertreter in dem neuen Deckel-Synchro-Compur-Verschluss hat.“ 
aus: Mitteilungen der Industrie, Sixtomat x 3, Photo-Magazin 1954/5/77.

Dieser Sixtomat hat jetzt ein elfenbeinfarbiges Gehäuse und alle goldfarbenen Teile einschließlich der schönen ‘Schlangenkette’ sind echt vergoldet. Adel ‘par excellence’, Adel pur!

...Mein Sixtomat ist so goldig: Er kann Objektmessung, Lichtmessung und kennt die Lichtfarbe!

Mein Sixtomat ist ein „x 3“ und durch Gold geadelt

Nachteile der Selen-Belichtungsmesser:
Über die Messgenauigkeit kann man nicht meckern, doch wo viel Licht, da ist auch Schatten:
Die Ansprechempfindlichkeit’ der Selen-Belichtungsmesser ist eher schwach.
Der Vorteil, dass ein solcher Beli keine Batterie benötigt, bringt leider auch entscheidende Nachteile mit sich:
Da die Ströme, die erzeugt werden, sehr gering sind, kommen nur empfindlichste Drehspulkomponenten zum Einsatz, die mechanisch sehr anfällig sind (Bei mir haben schon 2 von ihnen den Geist aufgegeben, weil sie mir mal unglücklich aus der Hand gefallen sind).
Durch die großen „Wabenlinsenfenster“, die der Lichtverstärkung dienen, ist der Messwinkel recht ungenau abgegrenzt und lässt daher nicht so präzise Messungen zu.
Dazu kommt die nachlassende Allgemeinempfindlichkeit durch eine zunehmende Alterung des Photo-Elements.

...Mein Sixtomat von 1955 misst noch so spritzig jung, wird aber einmal früh altern,...
wenn er mir nicht vorher aus der Hand fällt!

In den frühen 1930er Jahren haben viele Firmen Zubehör zur Leica hergestellt und natürlich gehörten auch Belichtungsmesser dazu, die für die Verschlusszeiten und Blenden der Leica kalibriert waren.
 "Diese Geräte trugen auch 'Leica' als Teil ihrer Modellbezeichnung . Ob dies mit oder ohne Zustimmung von Leitz erfolgte, ist heute schwer festzustellen. Beispiele sind der 'Leicascop'-Belichtungsmesser mit Graukeil und das Weston-'Leicameter' Modell 627, im Katalog 1934 (Leitz New York, Broschüre Nr. 1206, M-134-G)."
aus: Dennis Laney, Leica Cameras Zubehör

Bei Leitz war man lange der Meinung, dass eingebaute Belichtungsmesser erstens die Kamera zu groß werden ließen und vor allem durch ihren Mangel an Robustheit dem Ruf der Firma eher schaden als nutzen könnten. Man arbeitete aber eng mit der Firma Metrawatt, Nürnberg zusammen, wenn diese Geräte auch vor Erscheinen der M zumindest nicht im europäischen Katalog aufgenommen wurden.
vergl. Dennis Laney, Leica Cameras Zubehör

Das nachfolgend abgebildete Gerät hat einen Zubehörschuh für ein Verstärkerelement. Es wurde in die Zubehörklemme eingeschoben, ist aber nicht wie die Leicameter für M-Kameras mit dem Verschlusszeitenknopf kuppelbar.
Reklame aus dem Photo-Magazin, Juni 1951

Bei Zeiss-Ikon machte man sich bezüglich des Größenzuwachses nach Einbau eines (Selen-) Belichtungsmessers in eine Contax weniger Gedanken (weder 1951 bei der Contax IIIa wie noch später beim Bau der Contarex).

Wer jedoch die Contax IIa (ohne eingebauten Beli) mit der Contax IIIa vergleicht, der wird erkennen, wie diese Kamera an „Masse“ zugenommen hat. Ich finde, sie wurde unförmig

vorne: Contax IIa, hinten Contax IIIa

Von der "Klasse" eines Selen-Belichtungsmessers bezüglich seiner Widerstandsfähigkeit ist man auch bei Zeiss nicht ganz so überzeugt, meinte aber:

„Erfahrungsgemäß wird eine Kamera viel schonender behandelt als ein einzelnes Zubehörstück. So ist auch der in die Kamera eingebaute Belichtungsmesser bei der Contax IIIa besser geschützt als ein Belichtungsmesser, der gesondert mitgeführt wird. Außerdem ist der Belichtungsmesser immer zur Hand, wenn er gebracht wird. Man kann ihn nie vergessen.
aus: Mitteilungen der Industrie, Contax IIIa, Photo-Magazin 1951/6/58.

Fazit


Wer ein so wichtiges Gerät wie den Belichtungsmesser bei einer Fototour vergisst, dem ist nicht zu helfen.
Gut, dass die Firma Leitz 1949 keinen Belichtungsmesser in die Leica IIIc eingebaut hat, er wäre heute, wenn nicht ohnehin defekt (Nachlassen der Genauigkeit durch Alterung oder sein Galvanometer wäre vielleicht mechanisch zerstört) so doch, trotz allem Sinn für Nostalgie, technisch hoffnungslos veraltet.
Gleiches gilt für meine M2. Ich besitze dafür sowohl den Leicameter MC (Selen), als auch einen Leicameter MR-4 (Cds*). Den MC, der ungenau arbeitete bzw. kaum noch ausschlug, ließ ich vor beinahe 20 Jahren wieder herrichten. So richtig überzeugt hat er mich danach auch nicht. Anders verhält es sich mit dem Leicameter MR-4. Der arbeitet(e) auch heute noch tadellos, wenn nur nicht die leidige Sache mit den nicht mehr erhältlichen quecksilberhaltigen Batterien wäre.

Bei einem „aufgeflanschten“ Beli wäre der gerade für die Leica IIIc so wichtige Zubehörschuh dauerhaft besetzt. Wohin dann bloß mit dem Universalsucher?
Auch bin ich froh, beide Kameras wenigstens zeitweise ohne klobigen aufgesetzten bzw. eingebauten Belichtungsmesser benutzen zu können, um die Belichtung dann elegant „aus der la Maingg“ mit einem Handbeli zu erfassen!
Wenn ich auch mit meinem Sixtomat (so er mir nicht aus der Hand fällt) noch eine ganze Weile gut zurechtkomme, finde ich es doch beruhigend, ihn jederzeit durch einen anderen ersetzen zu können, wenn ich mit seinen Leistungen mal nicht mehr zufrieden bin. Die Kameras bleiben davon unberührt!
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* Beim Cds-Belichtungsmesser (das ist der mit einem Cadmium-Sulfit-Photowiderstand) und später dann beim Einsatz der Silizium-Fotodiode, wird eine Stromquelle gebraucht, denn hier wird kein Strom erzeugt sondern in beiden Fällen verändert Lichteinfall den Widerstand der Bauteile. 

Der für die „Messung“ benötigte Strom muss durch eine Batterie von außen zugeführt werden.

Beide Typen haben gegenüber dem batterielosen Selen-Belichtungsmesser Vorteile in puncto Robustheit, Genauigkeit und Größe.
Ein Beli mit Siliziumdiode kann sogar aufgrund der ‘ultraschnellen’ Anzeigegeschwindigkeit, wie sagte man nochmal zur Zeit von Emmermann zum Elektronenblitz, Ultrablitze erfassen und ist im Falle einer TTL-Automatik dann noch zeitmäßig in der Lage, den Ablauf eines Verschlusses zu korrigieren!